„Zwischen Bremen und Neapel, zwischen Wien und Singapore habe ich manche hübsche Stadt gesehen, Städte am Meer und Städte hoch auf Bergen, und aus manchem Brunnen habe ich als Pilger einen Trunk getan, aus dem mir später das süße Gift des Heimwehs wurde. Die schönste Stadt von allen aber, die ich kenne, ist Calw an der Nagold, ein kleines, altes, schwäbisches Schwarzwaldstädtchen.“ Diese Zeilen schrieb Hermann Hesse (1877 – 1962) im Jahre 1918 über seine geliebte Vaterstadt Calw. Dem Dichter und Nobelpreisträger ist es zu verdanken, dass Charme und Schönheit des Schwarzwaldstädtchens in die Literatur eingegangen und zu Weltruhm gelangt sind. Wer heute auf den Spuren des „Steppenwolf“ durch die Gassen von Calw geht – ob als Einheimischer oder Tourist –, wird vieles noch so finden, wie es der junge Hesse gesehen und verinnerlicht hat. Könnte jener noch einmal in das heutige Calw zurückkehren, würde er eine fast fünfmal so große, moderne Stadt entdecken, in der sich vieles geändert hat.
Calw, die Stadt am Wasser
Die Geschichte und Geschicke der 1075 urkundlich erstmals erwähnten Stadt sind geprägt von ihrer Lage am Fluss. Eingezwängt in das enge Nagold-Tal, mussten sich die Calwer schon immer Etwas einfallen lassen. Landwirtschaft war und ist bis heute kaum möglich, also besann sich die Bevölkerung im Mittelalter auf Handwerk und Handel. Begünstigt von der verkehrsgünstigen Lage am Wasser und geprägt von protestantischer Arbeitsethik waren die Calwer darin über Jahrhunderte so erfolgreich, dass das Städtchen an der Nagold mit Holz- und Salzhandel sowie Textilherstellung („Calwer Compagnie“) zeitweilig zum bedeutendsten Wirtschaftszentrum Württembergs aufstieg – im 17. Jahrhundert gar halb so groß wie Stuttgart und so finanzkräftig, dass man den herzoglichen Hof mit Geld versorgte. Diese wirtschaftlichen Glanzzeiten sind freilich lange vorbei. Geblieben ist eine malerische Fachwerkstadt mit über 200 denkmalgeschützten Häusern, die den einstigen Reichtum ihrer Bürger widerspiegelt und die fantastische Kulisse für eine der schönsten und belebtesten Fußgängerzonen Süddeutschlands abgibt.
Calw, die Klosterstadt
Geblieben ist aber auch das Selbstbewusstsein der Calwer, aus deren Mitte eine große Zahl an Denkern, Gelehrten und Künstlern hervor gegangen ist, unter denen Hermann Hesse lediglich der Prominenteste ist. Das kleine Calw hat nämlich schon immer gern am großen Rad gedreht. Im Hochmittelalter hat es einmal sogar deutsche Geschichte geschrieben. Calwer Grafen waren es nämlich, die das Hirsauer Kloster stifteten – als Ruine heute neben den Hesse-Gedenkstätten der touristische Anziehungspunkt von Calw, außerdem bekannt durch den „Klostersommer Hirsau“. Unter dem genialen und hoch gelehrten Abt Wilhelm stieg die Benediktinerabtei im 11. Jahrhundert zu einem der größten und einflussreichsten Klöster Deutschlands auf und spielte im berühmten Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser eine große Rolle.
Tipp:
Besuchen Sie unbedingt einmal den einzigartigen Klostersommer in Hirsau. Vor der Kulisse der „St. Peter und Paul” Ruine können Sie Kultur pur bei Open-Air-Konzerten erleben.
Calw, die Kulturstadt
Die kulturelle Kraft dieser kleinen Stadt ist bis auf den heutigen Tag spürbar. Vor allem die Musik hat in den Mauern der Stadt eine lange Tradition. Die Aureliussängerknaben der städtischen Musikschule zählen mittlerweile zur ersten Garde der Knabenchöre und sind gern gehörte Botschafter der Stadt Calw auf den großen europäischen Bühnen und bis hin nach Japan.
Künstler, Dichter und Denker haben sich seit jeher wohl in Calw gefühlt. Große Namen wie Hermann Hesse, Rudolf Schlichter, Kurt Weinhold oder Richard Ziegler haben dort bis heute ihre Spuren hinterlassen. Mit dem regelmäßig stattfindenden Gerbersauer Lesesommer (2. Juli bis 9. August) beispielsweise, huldigt die Stadt ihrem bekannten Sohn und Dichter Hermann Hesse mit Lesungen und feinster Kammermusik.
Das Kloster Hirsau ist wohl eines der bekanntesten Bauwerke in Calw. Egal ob durch eine professionelle Führung oder auf eigene Faust, eine Erkundung der historischen Gebäude lohnt sich immer. Besonders sehenswert dabei: das Klostermuseum.
Für all jene, die eher dem Künstlerischen zugetan sind gibt es unzählige Museen, Ausstellungen und Galerien.
Calw, die Stadt zwischen Schwarzwald und Gäu
„Die Stadt ist ziemlich schön. Vom Weste sind die Berge aber so nahe, daß man von dannen fast einen Stein auf den Marktplatz werfen kann.“ Diese Zeilen notierte der Tübinger Professor Crusius im Jahr 1595. Die über 400 Jahre alten Beobachtungen haben nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt, was die landschaftliche Lage Calws angeht. Ihr Reiz liegt darin, dass die Stadt genau an einer geologischen Grenze liegt, die etwas versetzt dem Lauf der Nagold folgt und den Übergang von zwei gänzlich verschiedenen Landschaften markiert: Die Altstadt selbst und ihre westlichen Ortsteile liegen im Schwarzwald, der im Stadtwald fast bis an den Marktplatz heranreicht. Doch kaum hat man das Nagoldtal nach Osten verlassen, beginnt schon das Gäu. Während im Bereich Altburg die dunkelgrünen und ausgedehnten Nadelwälder dominieren, sind es rund um Stammheim herum lockere Raine, Hecken und Streuobstwiesen, die sich mit lichten Waldinseln abwechseln. Der grüne Gürtel rund um Calw ist ein Dorado für Wanderer und Naturliebhaber.
Reiche Kultur und viel Natur: Die Hesse-, Fachwerk- und Schwarzwaldstadt Calw präsentiert sich heute als eine attraktive Stadt mit einer hohen Lebensqualität, die immer mehr Menschen für sich entdecken – sei es nun für ein paar Urlaubstage oder für immer. Kein Wunder, dass Hermann Hesse im Alter notierte: „Mir ist Calw in Gedanken immer Heimat geblieben.“