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Die grosse Herbstausstellung im Kunst Museum Winterthur widmet sich einem Thema, das in diesem Jahr in Europa unvermittelt traurige Aktualität erfahren hat. Unter dem Titel Kunst und Krieg geht die Ausstellung der Frage nach, wie Kunstschaffende im Verlauf der Jahrhunderte mit der Erfahrung von Kriegen umgegangen sind. In einem Streifzug von der Renaissance bis zur Gegenwart werden ausgewählte Meisterwerke von Albrecht Dürer und Francisco de Goya über Käthe Kollwitz bis hin zu modernen Meistern wie Gerhard Richter präsentiert.   

Im Zentrum der Ausstellung stehen druckgraphische Zyklen, angefangen bei Albrecht Dürers Apokalypse über Jacques Callot Misères de la Guerre und Francisco de Goyas Desastres de la Guerra. Es zeigt sich, dass gerade in der Druckgraphik die Kunstschaffenden frei zu Werke gehen konnten und ihre individuelle Sicht auf den Krieg verarbeiten konnten. Hatten die Künstlerinnen und Künstler seit jeher gute Verdienstmöglichkeiten darin gefunden, die Schlachten und Siege ihrer Herrscher in grossen Gemälden und Denkmälern in Szene zu setzen, so zielt die kleinformatige Graphik auf eine dezidiert andere Lesart, auf eine Sicht von unten, gleichsam auf Augenhöhe mit den Opfern. Sie wurden meist ohne Auftrag, aus freien Stücken geschaffen und zeugen von einer privaten, kritisch-reflektierten Auseinandersetzung mit den Ereignissen. Im Falle Goyas wurde die Serie aufgrund ihrer Brisanz erst Jahrzehnte nach dem Tod des Künstlers publiziert.

Félix Vallotton (1865–1925), Paysage de ruines et d'incendies, 1915, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Bern, Schenkung der Stiftung Gemäldesammlung Emil Bretschger

Félix Vallotton (1865–1925), Paysage de ruines et d’incendies, 1915, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Bern, Schenkung der Stiftung Gemäldesammlung Emil Bretschger

Der Parcours durch die Jahrhunderte zeigt ausgewählte Meisterwerke, die zu Meilensteinen der künstlerischen Beschäftigung mit dem Krieg geworden sind. So gilt Jacques Callots Misères de la Guerre, entstanden während des Dreissigjährigen Kriegs, als erstes Werk der europäischen Kunst, das sich den Auswirkungen des Kriegs auf einfache Leute wie Bauern und Soldaten annahm und nicht davor zurückschreckte, Brandschatzung, Raub, Mord und Plünderung ins Bild zu setzen. Damit thematisierte er die Gräuel seiner Zeit, statt Darstellungen zur Herrscherpropaganda zu produzieren.

Rarität aus Georg Reinharts Sammlung
Das Werk stand in der Folge Pate für zahlreiche Nachfolger, deren berühmteste wohl Goyas Desastres de la Guerra sind. Daneben werden in der Ausstellung auch andere bekannte Namen präsentiert wie Giovanni Battista Tiepolo und Käthe Kollwitz, die ihrerseits jeweils für einen gänzlich eigenen Umgang mit dem Thema stehen. Eine besondere Entdeckung wird die fast sechs Meter lange Zeichnung von Frans Masereel sein, die er für seinen Freund, den Winterthurer Sammler und Mäzen Georg Reinhart, schuf. Beinahe wie eine Graphic Novel angelegt, thematisiert die grossformatige Tuschezeichnung Masereels Flucht aus Paris 1942. Die Arbeit gelangte jüngst als Schenkung an das Kunst Museum Winterthur und wird im Rahmen der Ausstellung erstmals seit 1981 der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Kombiniert werden diese Meisterblätter mit ausgewählten Gemälden und Skulpturen, darunter solche von Alberto Giacometti und Gerhard Richter. Den Abschluss und gleichzeitig den Sprung in die Gegenwart bildet sodann der Werkzyklus Ernste Spiele von Harun Farocki.
Anliegen der Ausstellung, deren Konzeption weit vor dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts entstand, ist es, ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen. Aus diesem Grund spendet das Museum den während der Ausstellung generierten Erlös aus dem Museumshop an die Artas-Foundation, die sich für Kunst und Friedensförderung in Krisengebieten einsetzt.
8. Oktober 2022 bis 21. Februar 2023

www.kmw.ch