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Mit „Shirley Jaffe. Form als Experiment” präsentiert das formidable Kunstmuseum Basel die spannende Retrospektive einer eigensinnigen Künstlerin, die dank ihres künstlerischen Mutes zum Vorbild für viele jüngere Kolleginnen wurde. Die faszinierende und umfangreiche Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Centre Pompidou und dem Musée Matisse in Nizza konzipiert und zeigt 113 Werke, welche die gesamte, ungemein vielfältige Bandbreite von Jaffes Arbeiten umfassen. Eine Kooperation übrigens, die alles andere als zufällig ist: Im Centre Pompidou befindet sich heute das größte institutionelle Konvolut ihres Werks.

Die Ausstellung umfasst alle Schaffensperioden der Künstlerin, die 1923 als Shirley Sternstein in New Jersey geboren wurde und in Paris, wo sie sich in den 1950er Jahren niederließ, über die Jahre zu einer ganz eigenen Formsprache fand. So lässt sich etwa Jaffes Frühwerk dem abstrakten Expressionismus zuordnen. Die Bilder aus dieser Zeit, wie zum Beispiel „Arcueil Yellow” (1956), erinnern an groß angelegte geologische Formationen.

Shirley Jaffe, ohne Titel, 1965, Öl auf Leinwand, Centre Pompidou, Musée national d'art moderne, Paris, Foto: Centre Pompidou, MNAM-CCI/ Audrey Laurans © ProLitteris, Zürich

Shirley Jaffe, ohne Titel, 1965, Öl auf Leinwand, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris, Foto: Centre Pompidou, MNAM-CCI/ Audrey Laurans © ProLitteris, Zürich

Schließlich gewannen Pinselstrich und Palette an Komplexität und das Gestische wurde gesteigert. Ab etwa 1963 wandte Jaffe sich von ihren Anfängen als abstrakte Expressionistin ab. Sie führte einfache, deutlich erkennbare Formen in ihre Gemälde ein, deren Geometrie sie eine umso kräftiger anmutende Gestik entgegensetzte; leuchtende Farben wie in „The Big Square” (1965) unterstreichen die Struktur der Bilder. Ab 1968 wiederum verzichtete Jaffe radikal auf jegliche Gestik und nutzte stattdessen eine klare Geometrie und matte Farbtöne. Es entstanden Kompositionen aus Farbflächen ohne jegliche Tiefe. Dieses Nebeneinanderstellen ging mit der Entscheidung einher, die Beziehungen zwischen den Farben zunächst nicht etwa durch Intensität, sondern durch die Arbeit mit Nähe und Entfernung zu dynamisieren (siehe etwa „Boulevard Montparnasse”, 1968). Ab den 1970er Jahren schließlich begann Shirley Jaffe, ihren persönlichen Stil mit markanten Konturen zu entwickeln. Diese Schaffensperiode ist geprägt von freien Formen, die aus der klassischen Geometrie abgeleitet sind und jeweils eigene Farbflächen bilden.

Shirley Jaffe, ohne Titel, 1965, Öl auf Leinwand, Centre Pompidou, Musée national d'art moderne, Paris, Foto: Centre Pompidou, MNAM-CCI/ Audrey Laurans © ProLitteris, Zürich

Shirley Jaffe, ohne Titel, 1965, Öl auf Leinwand, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris, Foto: Centre Pompidou, MNAM-CCI/ Audrey Laurans © ProLitteris, Zürich

Ab 1983 steht ihr Werk ganz im Zeichen der Verwendung der Farbe Weiß, die zunächst die Formen voneinander trennt, um ihnen eine größere Unabhängigkeit zu verleihen („Sailing”, 1985). Schließlich kommen seit 1995 und in besonderem Maße seit 2001 Veränderungen in der Farbdichte innerhalb des jeweiligen farbigen Untergrunds auf. Das bislang organisiert-dynamische Chaos der Gemälde und die streng einheitlichen Farbflächen werden durch Pinselspuren oder diffuse Farbstrukturen aufgebrochen. Für diesen Wagemut, sich radikal vom abstrakten Expressionismus abzuwenden und einen neuen Weg einzuschlagen, wurde Shirley Jaffe für nachfolgende Generationen zum Vorbild und zur Referenz. Auf die Ausstellung im Kunstmuseum Basel darf man sich daher in ganz besonderem Maße freuen.
25. März bis 30. Juli 2023

https://kunstmuseumbasel.ch